Frank Turner ist zurück - schon wieder, möchte man fast sagen. Gerade einmal zwei Jahre nach seinem letzten Album „FTHC“ - zugleich seinem ersten, welches in England von Null an die Spitze der Charts schoss - meldet sich der möglicherweise sympathischste britische Musiker mit seinem nächsten Longplayer „Undefeated“ am 3. Mai zurück.
Dies ist umso erstaunlicher angesichts des selbst für seine Verhältnisse fast unmenschlichen Tourplans, den er nach der Veröffentlichung von „FTHC“ absolvierte: Neben zahllosen großen Open Airs auf der ganzen Welt spielte Turner auf der Welttournee mit seinen Sleeping Souls unter anderem auch 50 Shows in 50 US-Staaten innerhalb von 50 Tagen. Dies alles sind nur weitere Belege, dass es tatsächlich kaum vergleichbare Musiker gibt, die mit einem solchen Engagement und Drang fast pausenlos jede Konzertbühne bespielen, auf der sich eine Gitarre und ein Mikro einstöpseln lassen (in Zahlen: rund 3.000 Shows vor insgesamt mehr als zwei Millionen Menschen).
Sein mittlerweile zehntes Studio-Album „Undefeated“ markiert dabei einerseits eine partielle Rückkehr zu seinen stilistischen Anfängen, wie es auch einige für Turner ganz neuen Aspekte aufzeigt. So ist „Undefeated“ sein erstes Album in seiner Karriere, dass er nicht nur in seinem eigenen Studio in seinem neu geschaffenen, naturbasierten Refugium in Essex aufnahm, sondern gleich auch selbst produzierte. Wie immer an seiner Seite: Seine bewährte Band die Sleeping Souls, bestehend aus Ben Lloyd (Gitarre), Tarrant Anderson (Bass), Callum Green (Schlagzeug) and Matt Nasir (Piano). Das Album wird garantiert denselben Weg nehmen wie die fünf Vorgänger - schnurstracks in die Top 3 der britischen Albumcharts sowie in bald alle Album-Hitlisten in ganz Europa.
Und dies beileibe nicht mit einer auf den Massengeschmack schielenden Zugänglichkeit, sondern mit Turners höchsteigener, unbeeinflussten Tonalität und stilistischen Handschrift, bei der Punk und Folk, Alternative Rock und Singer-/Songwriter zu einem erfrischend unpolierten, gleichwohl hymnischen Amalgam verschmelzen. Erste Höreindrücke wie die vorab ausgekoppelten Singles „Girl From The Record Shop“, „No Thank You For the Music“, „Do One“ und das aktuell erschienene „Letters“ versprechen noch mehr: Etwa eine punktuelle Hinwendung zu seinen ursprünglichen brachialen Hardcore-Wurzeln einerseits, andererseits aber auch (s)eine Verneigung vor einigen seiner größten Helden.
Inhaltlich wird „Undefeated“ allen die es hören erneut mindestens ebenso nahe kommen wie Frank Turner den Fans bei seinen Konzerten: Auch in den neuen Songs erweist sich Turner als sprachlich pointierter Chronist des Lebens, seiner Widerstände und Verluste. Meist beschrieben aus einer intimen, autobiografischen Perspektive und doch so erzählt, dass jede und jeder einen individuellen Bezug finden kann. Turner selber fasst die Attitüde seiner jüngsten Texte im Song „No Thank Your For the Music“ prägnant zusammen: „Now I’m surprised to report that as I enter my forties, I’ve returned to being an angry man.” („Ich bin überrascht mitteilen zum können, dass ich nun, wo ich in meine Vierziger eingetreten bin, zurückgekehrt bin zu dem wütenden Mann.“)
Es sind - neben seinem ständig neu mit Leben gefüllten Zweitnamen „the hardest working man in showbusiness“ - gerade diese in bestechende Textzeilen und Melodien gegossenen emotionalen Wahrhaftigkeiten, die Frank Turner immer wie deinen besten, verständnisvollsten Freund wirken lassen. Selbst wenn man, wie auf der anstehenden Tournee, dabei Abend für Abend von einigen Tausend anderen Menschen umgeben ist, die exakt die gleiche unmittelbare Verbindung zu ihrem Helden spüren dürften.
Eine Verbindung und Nähe, die Turner stets produktiv zu nutzen und mit höchst progressiver Arbeit aufzuladen versteht. Etwa während der Corona-Pandemie, wo er im Rahmen seiner zahllosen, teils spontan anberaumten Livevideo-Sessions knapp 300.000 britische Pfund einsammelte zur Unterstützung und Rettung zahlloser kleiner Liveclubs in ganz Großbritannien (sowie einigen internationalen Clubs, darunter auch das Hamburger Molotow) - ein Engagement, für das er mit dem bedeutenden „Music Venues Trust Award“ ausgezeichnet wurde für sein „Outstanding Achievement for Grassroots Music Venues“. Oder auch hinsichtlich seines eigenen, jährlich stattfindenden, viertägigen „Lost Evenings Festival“, dessen Programm er höchstselbst kuriert und das im vergangenen Jahr in San Francisco stattfand und in diesem Jahr weiter nach Toronto zieht. Kurzum: was auch immer Frank Turner tut - er bleibt schlicht und ergreifend „Undefeated“.
Wer ihn und seine Band live erleben möchte, hat im Oktober in fünf deutschen Städten die Gelegenheit.